Seit 25 Jahren im schönsten Job, den Amriswil zu bieten hat

Seit einem Vierteljahrhundert amtet Roland Huser als Stadtschreiber in Amriswil. Damit hat er unter vier Stadtpräsidenten gearbeitet. Wie er zu seiner Stelle kam und welche Aufgaben er hat, erzählte er im Ortsmuseum.

«Wie schön, dass so viele Leute heute gekommen sind, obwohl ich ja eigentlich gar nichts zu sagen habe», begrüsste Stadtschreiber Roland Huser vergangenen Sonntag alle Interessierten im Ortsmuseum. In Form des Museumssonntags war er zu Gast und plauderte während der Erzählstunde über einiges, was er in den 25 Jahren als Stadtschreiber erlebt hat.

Zwischen Stuhl und Bank

Der Stadt- oder Gemeindeschreiber hat eine spezielle Rolle. Er ist an den Sitzungen der Behörde als Berater und Protokollführer dabei, hat das Recht, Anträge zu stellen, darf aber nicht abstimmen. «Die Stadträte schauen mich als einen von ihnen an», sagt er. Gleichzeitig ist der Stadtschreiber aber auch der höchste Verwaltungsmitarbeiter, häufig Personalchef und Abteilungsleiter. Zudem ist er für Wahlen und Abstimmungen zuständig, organisiert Veranstaltungen aller Art und bearbeitet Rechtsmittelverfahren. «Zusammengefasst kann man sagen, der Stadtschreiber ist ein Spezialist darin, Generalist zu sein», zitiert Huser einer seiner welschen Berufskollegen. Vom Personal wird er daher als einer von ihnen betrachtet. «Das ist schön. Wann immer es im Stadtrat aber um das Personal geht, sitze ich dadurch irgendwie zwischen Stuhl und Bank», erklärt Huser.

Zahlen über Zahlen

«Vor Ihnen sitzt ein Glückspilz. Denn ich darf seit 25 Jahren den schönsten Job ausüben, den es auf einer Verwaltung gibt», sagt er. Dass er damals zu dieser Stelle kam, sei aber nicht nur Zufall gewesen. Aber, es sei ein riesen Glück, dass er diese Stelle hier in Amriswil ausüben dürfe. Sein erster Arbeitsvertrag in Amriswil wurde 1989 mit der Schreibmaschine erstellt. Angefangen hat Huser damals als kaufmännischer Angestellter beim zentralen Rechnungswesen der Stadt Amriswil. Das Stelleninserat hat er zufällig in der Zeitung gesehen. «Wieso dass der Gemeindeammann Ernst Bühler mich eingestellt hat, weiss ich bis heute nicht», schmunzelt Huser. Vielleicht spielte schon damals etwas Glück mit, hatte er doch zu diesem Zeitpunkt keine Ahnung von der Buchhaltung einer Gemeinde. Während fünf Jahren hat er diese Aufgabe ausgeführt. Obschon er am liebsten nach einem schon wieder gekündigt hätte. «Zahlen sind einfach nicht mein Ding, musste ich feststellen», erklärt er. Auf Empfehlung seines Arbeitskollegen blieb er aber etwas länger, schlicht weil sich eine kurze Beschäftigungsdauer im Lebenslauf nicht gut mache. Huser hat ihm geglaubt.

Dass der Beruf des Gemeindeschreibers in der Verwaltung eine zentrale Rolle spielt, hat Huser schnell gemerkt. Eine Funktion, in welcher seine Fähigkeiten im Schreiben, Planen und Organisieren viel besser zur Geltung kommen würden. Es kam eine Zeit, an welcher der damalige Gemeindeschreiber Unterstützung brauchte. So wechselte Huser 1994 von der Finanzverwaltung zur Stadtkanzlei. «Mein Vorgänger, Martin Rüthemann, hat mich unter seine Fittiche genommen, mich eingearbeitet, mir geholfen. Fast so, als würde ich eine Lehre absolvieren», erklärt Huser. Irgendwann kam Rüthemann ins Büro und meinte zu Huser, dass es jetzt an der Zeit sei, dass sie beide die Jobs tauschen. So wurde Huser Stadtschreiber, Rüthemann wurde sein Stellvertreter.

Neumodiges Zeugs

Seither sind 25 Jahre vergangen. Husers neuer Arbeitsvertrag wurde nicht mehr mit der Schreibmaschine, sondern mit dem ersten Computer der Stadtkanzlei geschrieben. «Für heutige Verhältnisse konnte diese Kiste nichts und war kaum besser als die Schreibmaschinen, hat dafür umso mehr gekostet», sagt er. Kein Wunder, hat auch dessen Anschaffung für reichlich Gesprächsstoff im Gemeinderat gesorgt. Ob denn dieses neumodige Zeugs wirklich notwendig sei, sei man doch bislang auch ohne zurechtgekommen. Mittlerweile ist der frühere, junge Gemeindeschreiber Huser älter geworden. «Seit meinem Arbeitsbeginn als Gemeindeschreiber ist tatsächlich die eine oder andere Falte im Gesicht dazugekommen», schmunzelt er. Seine allererste Gemeinderatssitzung erlebte er am 4. August 1998. Damals war Peter Kummer erst seit wenigen Wochen Gemeindepräsident. Während elf Jahren arbeiteten Huser und er gemeinsam. An der ersten Sitzung wurden 14 Traktanden behandelt, das Protokoll umfasste schliesslich sieben A4-Seiten. Die heutigen sind zwischen 40 und 50 Seiten lang. In den 25 Jahren sind nicht weniger als 747 Stadt- oder Gemeinderatssitzungen vergangen. Insgesamt sind 9852 Geschäfte behandelt worden, die Huser allesamt vorbereitet, protokolliert und nach dem Entscheid des Rates gemeinsam mit seinem Team umgesetzt hat. Pro Jahr kommen so rund 1000 A4-Seiten Protokoll zustande.

Eine Sitzung in 25 Jahren verpasst

Schreiben, Planen und die Umsetzung der einzelnen Projekte macht Huser bis heute Freude. Auch nach 25 Jahren ist sein Beruf nicht langweilig geworden. Nebst der offiziellen Sitzung alle zwei Wochen, ist die Sitzung nach der Sitzung mindestens genauso wichtig. Diese findet nicht mehr im Stadthaus, sondern in einem Restaurant bei Feierabendbier und Nachtessen statt. «Selbstverständlich aus dem eigenen Sack bezahlt», betont Huser. Tatsache ist, dass die Nachsitzung durchaus schon länger gedauert hat, als die eigentliche Stadtratssitzung. Der gemeinsame Restaurantbesuch des Stadtrates ist eigentlich auch Pflicht und es braucht einen guten Grund, wenn jemand fehlt. Er selber hat in all den Jahren übrigens nur einmal eine Stadtratssitzung verpasst. Wieso weiss Huser nicht mehr. Es wird aber einen triftigen Grund gegeben haben.

Freundschaftliche Zusammenarbeit

Als Glückspilz bezeichnet sich Huser nicht nur, weil er durch eine Aneinanderreihung von Zufällen zu seiner Anstellung als Stadtschreiber kam, sondern auch, dass er mit allen amtierenden Stadtpräsidenten ein sehr gutes Verhältnis pflegt. Zu seiner Anfangszeit, damals noch als Stellvertretender Stadtschreiber, war Ernst Bühler Gemeindeammann. Von ihm hat Huser gelernt, wie Politik funktioniert und was sparen bedeutet. «Zu dieser Zeit mussten wir jeden Franken zwei mal umdrehen», so Huser. Das hat Spuren hinterlassen. Noch heute achtet der Stadtschreiber immer auf kostengünstige Lösungen. Zu Bühlers Amtszeit wurden Vereinbarungen häufig noch per Handschlag abgemacht. Eine schöne Tatsache, die es den künftigen Stadträten und Präsidenten aber nicht immer einfach gemacht hat. «So hörte man doch ab und an, wenn es um Entscheidungen ging, dass dies doch aber mit Ernst so abgemacht worden sei», erklärt Huser. Auf Ernst Bühler folgte Peter Kummer. «Er hatte ein unglaubliches Gespür für das politisch Machbare», so Huser. Ein feiner Mensch und Patron sei er gewesen. Ein Chef, der auch bei Gegenwind vorausgegangen ist und dem Personal immer den Rücken gestärkt hat. Kummer hat den technischen Fortschritt unterstützt und fand immer die richtigen Worte, wenn es darum ging, Stadtrat und Personal für eine wichtige Sache zu gewinnen. So modern Kummer beim Arbeiten war, so konservativ zeigte er sich jeweils bei den Restaurantbesuchen nach den Gemeinderatssitzungen. Blätterte er laut Huser zwar jedes mal interessiert die Menükarte durch, wählte am Schluss dann aber doch immer das Schnitzel mit Pommes Frites. Martin Salvisberg reihte sich nach Kummer ein. Er konnte stets mit seinem unerschütterlichen Optimismus begeistern. «Ich habe in meinem Leben nie einen grösseren Optimisten getroffen», sagt Huser. Selbst wenn etwas total in die Hose ging, fand Salvisberg etwas Positives daran. Wie Kummer, kam auch er aus dem Kanton Bern. Anders als sein Vorgänger, wählte er aber nur bei jedem zweiten Restaurantbesuch das Schnitzel, abwechselnd mit einer Bratwurst. Mit Gabriel Macedo erhielt Huser zum ersten Mal einen Chef, der jünger ist als er. Macedo war früher selber Stadtschreiber und kann daher Husers Arbeit besonders gut nachvollziehen. «An Gabriel Macedo bewundere ich sein unglaubliches Engagement für Amriswil, seine Effizienz in der täglichen Arbeit und seine ruhige Art, auch komplexe Aufgaben anzugehen», erklärt Huser. Als gebürtiger Portugiese, sei er zudem etwas weltoffener als seine Vorgänger, was die Speisekarten betreffe. «Gabriel Macedo findet in jedem Restaurant etwas auf der Karte. Und Schnipo habe ich bei ihm noch nie auf dem Teller gesehen», so Huser.

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